Interview

 

 

Helga Goedecke

Helga Goedecke

Helga Goedecke kam im Rahmen eines nachberuflichen Studiums an der TU Berlin zum Film und gewann - gemeinsam mit der „Filmgruppe 7“ - mit der Produktion „Auf der Flucht“ 2012 einen Preis im Jahresthema „Unterwegs“. Seit 2013 sitzt sie in der Jury des Deutschen Generationenfilmpreises [ehem.: Video der Generationen] und gibt uns im Interview Einblicke in ihre filmischen Aktivitäten und die Arbeit als Jurymitglied.

 

"Die Klippen und Hürden der Laien"

Wie sind Sie zum Medium Film gekommen?

Das war kein direkter und schneller Weg bis dahin. Ich habe zwar immer schon gern fotografiert, aber ans Filmen mit der Videokamera hatte ich mich nicht heran getraut. Dies war für mich eine fremde Welt und erschien mir eher etwas für technisch Versierte. Erst als Seniorin, als ich am Ende eines zweijährigen Gasthörerstudiums an der TU Berlin, genannt BANA – eine Abkürzung für „Berliner Modell: Ausbildung für nach-berufliche Aktivitäten“ – ein Film-Seminar aus reiner Neugier besuchte, habe ich mich mit diesem Medium angefreundet. Und es war Liebe auf den ersten Blick. Unter fachlicher Anleitung lernten wir die Videokamera zu führen, ein Script zu entwerfen und schließlich unsere Clips zu kurzen Filmen zusammen zuschneiden. Das Seminar motivierte nicht nur mich, und so ergab es sich, dass der aus 7 Frauen bestehende „harte Kern“ weitermachte - auch ohne professionelle Begleitung. Wir vertrauten auf die erlebte Erfahrung gegenseitiger Unterstützung und praktischer Hilfestellung während der Filmarbeiten. Das gab uns Mut und Zuversicht. In der Folgezeit entstanden viele Kurzfilme als Einzelarbeiten, wobei der Spaß nicht zu kurz kam. Schließlich wagten wir den Schritt in ein gemeinsames Projekt - natürlich mit einem Thema, das uns allen passte. Was lag da näher als „das Alter“! So entstand der Film „Auf der Flucht“ - nun mit neuen Herausforderungen.

Welche Situation beim Dreh oder Schnitt werden Sie niemals vergessen?

Die Klippen und Hürden für uns Laien während der diversen Filmprojekte waren sehr vielfältig und es gab genügend Anlässe für Ärger und Frust: Die neue Kamera, die beim Filmen ein Geräusch mitliefert und die die Aufnahme erst einmal wertlos macht, das Schnittprogramm mit vielen Abstürzen, die „verschwundenen“ Dateien und die lange Suche danach, nicht-kompatible Formate usw. Und schließlich kommt es schon mal vor, dass man in der Aufregung am Set die Kamera aus- statt anschaltet…! Ein einschneidendes Erlebnis am Set hatte ich bei unseren Außenaufnahmen im Berliner Tiergarten für den Film „Auf der Flucht“. Wir standen damals terminlich unter Druck und das hieß, dass an diesem Drehtag alles gelingen musste. Die Szenen mit der Rentnerin auf der Parkbank und ihren heran eilenden Freundinnen waren bis ins Detail geplant, eine Begehung des Drehortes am Vortag wegen der Lichtverhältnisse hatte stattgefunden. Es konnte also eigentlich nichts schief gehen. Und so war es dann auch: ein Spätsommertag wie im Buche. Damit wir kein Gegenlicht bekamen, musste alles sehr schnell gehen. Da dröhnten von irgend woher plötzlich Baumaschinen. Keine Chance zu drehen, nur abwarten. Das Starren auf die unaufhaltsam wandernde Sonne zerrte an den Nerven. Aber wir hatten Glück. Kurz bevor wir volles Gegenlicht hatten, hörte der Baulärm auf.

Hat sich durch das Filmen etwas für Sie verändert?

Das Drehbuch zu „Auf der Flucht“ entstand auf der Grundlage unserer Diskussionen über das Alter und das Altern - gestützt auf eigenen Erfahrungen. Es war uns von Anfang an klar, dass wir eine andere Sichtweise vermitteln wollten als die gängige, nämlich die der „produktiven und mobilen“ Alten. Die Auseinandersetzung mit dem Thema hat zwangsläufig auch meinen Blick geschärft für die Zwiespältigkeit einer gesellschaftlichen Entwicklung, die den älteren Menschen so viele Möglichkeiten bietet, aber diejenigen, die nicht mithalten können, aus dem Blick verliert und dadurch zurück lässt. Die Reaktionen auf unseren Film, den wir inzwischen auch auf einigen Foren gezeigt haben, waren ausgesprochen interessant und haben so manche – auch kontroverse - Diskussion ausgelöst. Das hatten wir uns natürlich erhofft.

Wie ist es in der Jury zu sein?

Im März 2013 habe ich das erste Mal an der Jury teilgenommen. Es war eine interessante Erfahrung für mich, nicht wie bisher auf der Teilnehmer- sondern auf der Juryseite zu stehen. Das verunsicherte mich anfangs etwas, aber die Gruppe aus erfahrenen Fachleuten machte es mir als „Neuling“ leicht, mich in das Team und die Juryarbeit hineinzufinden. Ich war beeindruckt, wie intensiv und ernsthaft jeder Beitrag begutachtet und diskutiert wurde, stets begleitet vom sachkundigen Moderator Holger Twele. Viele Beiträge haben mich mit ihrer sehr persönlichen Thematik und einem besonderen Blickwinkel -weit weg vom „Mainstream“ - berührt. Vor allem die jungen Leute zeigen häufig eine große Nachdenklichkeit in ihren Arbeiten. Da ist es manchmal nicht einfach, sich als Jurymitglied zwischen mehreren gelungenen Arbeiten zu entscheiden.

Was ist Ihr Geheimtipp für den 1. Preis?

Ich finde dabei wesentlich, dass ein Film nicht mit der Zielsetzung auf den 1. Preis konzipiert und inszeniert wird, sondern den Blick auf „das Eigene“ bewahrt und umsetzt, d.h. authentisch ist. Auf die Beiträge für den Wettbewerb 2014 bin ich sehr gespannt!

(Das Gespräch wurde 2013 geführt)

 

Weitere Infos

Den Wettbewerbsbeitrag „Auf der Flucht“ sowie weitere Informationen zu diesem finden Sie im Archiv.

Weitere Informationen zum „Berliner Modell: Ausbildung für nachberufliche Aktivitäten“ (Bana) finden Sie auf
www.zewk.tu-berlin.de und www.banastudenten.de

 

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