Interview

 

 

Jan Walentek

Jan Walentek

Seine Filme sind seit vielen Jahren eine feste Größe beim Deutschen Generationenfilmpreis [ehem. Video der Generationen] und auf dem Bundes.Festival.Film. [ehem. Bundesfestival Video] – ein guter Grund, das Archiv nach diesen Perlen zu durchtauchen. Immer anders und mit einer beeindruckenden Filmsprache setzt sich Jan Walentek – oftmals unter dem Label RAP-PL und damit in Kooperation mit seiner Frau Eva und anderen Kunstschaffenden – pointiert und humorvoll mit gesellschaftskritischen Themen auseinander. Anlässlich des Preises für seinen Film „Subway Poetry Company" sprach Jan Walentek mit uns über das Filmemachen und die „Herausforderung immer neuer Ideen“.

 

"Auf der Suche nach dem Neuen und dem Anderen"

Neben Filmen, die Sie im Alleingang produzieren, sind viele Ihrer Wettbewerbsbeiträge unter dem Label RAP-PL entstanden. Wie sieht Ihre Arbeit in der Praxis aus?

Hauptsächlich produziere ich sogenannte „Autorenfilme“, in denen ich sämtliche künstlerischen Aspekte des Films wie Drehbuch, Schnitt, Grafik oder Ton und Musik selbst mache oder bestimme. Diese Art der Produktion, obwohl sie sehr viel mehr Zeit benötigt als die Teamproduktion, gibt mir die Chance, total unabhängig zu sein. Ich habe jahrelang in der Werbebranche unter großem Zeitdruck gearbeitet, und Zeitdruck ist jetzt für mich einer von den Faktoren, die ich in meiner Arbeit absolut nicht mehr wünsche.
Bei meiner Arbeit begleiten mich natürlich Menschen die mir geistig nahe stehen. Dazu gehören meine Frau Eva, die vom Beruf wie ich Grafik-Designer ist, mein Sohn Peter, der zwar als Wissenschaftler tätig ist, aber parallel ein Musik-Label hat, mein Freund Stefan Hähnlein, ein junger 3-D Designer, Musiker und ein Dichter, Tom Schilling. Darüber hinaus bin ich in ständigem Kontakt mit anderen, die sich direkt oder indirekt mit Kunst beschäftigen.

Ich hatte das Glück, meine Leidenschaft – Kunst – zum Beruf machen zu können. Jetzt ist Kunst zur Abwechslung mein Hobby. Um mich beim Tun innerhalb der gleichen Sparte nicht zu langweilen, wechsle ich die Werkzeuge und die Art der Bilder, die mal statisch, mal beweglich sind. Das sind immer Experimente, und Experimentieren ist für mich der eigentliche Sinn: Ich glaube manchmal, das Machen, also der Weg, interessiert mich viel mehr als das Ziel, also das fertige Produkt. Deswegen ist „Produktion“ von Filmen in meinem Fall kein treffender Ausdruck.
Außer den visuellen Effekten spielt für mich die Musik und die Poesie eine sehr große Rolle. Die Poesie, glaube ich, hat viel mit der Art meiner Arbeit zu tun. Sie befasst sich in überwiegend kurzen Formen mit einem Problem oder Gefühl, wählt dazu nicht immer die einfachsten und eindeutigsten Wörter und rechnet damit, den Leser oder Zuschauer zum freien Nachdenken zu animieren.

Sie beschäftigen sich immer wieder mit gesellschaftskritischen Themen. Warum?

Wenn ich mich parallel mit Themen beschäftige, die man als „gesellschaftskritisch“ bezeichnet, dann nur deswegen, weil ich mich auch um mein psychisches Gleichgewicht kümmere. Das,  was mich beschäftigt, muss ich irgendwie abladen.. Gerne würde ich mal eine ehrliche Statistik sehen, wie stark die gesellschaftskritische Literatur, die gesellschaftskritische Kunst und Filme wirklich die Gesellschaft beeinflussen, ob sich etwas dauerhaft in die richtige Richtung bewegt, und zwar in den Ländern, denen es noch gut geht. Denn meine Auffassung ist, dass wir alle atavistisch und genetisch geprägt sind – einerseits in der Gesellschaft leben und uns andererseits auf verschiedene Arten ständig bekämpfen. Wahrscheinlich mögen auch die Natur oder Gott das „Experimentelle“ sehr.... Doch auch wenn so eine Statistik beweisen würde, dass der Einfluss der Kunst für die Mentalität der Gesellschaft nur eine sekundäre Rolle spielt, sollte man in keinem Fall auf das Bisschen verzichten. Deshalb finde ich Foren wie den Wettbewerb Video der Generationen und das Bundesfestival Video als Impuls zum Nachdenken so notwendig.

Heutzutage sind Film, Video, Performance und Medien-Installationen die beliebtesten Ausdruckmöglichkeiten, um nicht nur die junge Generation zu erreichen. Dass sich ältere Besucher oder gemischte Altersgruppen für moderne Kunst interessieren, für Poetry Slams oder Underground Kinos, nehme ich eher in anderen Ländern wahr. Man kann durchaus sagen, dass die Kunst, und zwar moderne und aktuelle Kunst, die Generationen stark verbindet – aber nur, wenn es förderliche Rahmenbedingungen für diese Begegnungen gibt.
Das „Moderne“ ist jetzt viel mehr politisch, gesellschaftlich, kritisch, süß, kitschig und intellektuell gleichzeitig. Film in der traditionellen Form ist nicht mehr spannend genug, und immer mehr Menschen sind auf der Suche nach etwas „Ungewöhnlichem“. Die Möglichkeit, die uns die Technik bietet, täglich massenweise Filme zu sehen, hat das Medium entwertet. Die Filmform entwickelt sich ständig, um die Kassen zu füllen. Die letzte Tendenz der Entwicklung hat wunderbare technische Effekte gebracht – inhaltlich und intellektuell aber ist der Film flacher geworden. Es dominiert der Kommerz. Namen wie Bunuel, Bergman, Fellini, Visconti, Kurosawa, Herzog oder Hitchcock haben nicht viele Nachfolger. Ich selbst versuche an keiner bestimmten Technik zu kleben oder sie zu perfektionieren. Mir geht es nicht darum, durch „High-Tech-Mittel“ etwas Gegensätzliches zum täglichen Kommerzkino zu erreichen.

Ich bin der Meinung, dass auch das KJF und der Deutsche Generationenfilmpreis versuchen sollten, sich mehr mit neuen medialen Sprachen zu befassen. Vor Jahren existierte in Rahmen des Festivals eine Sparte mit Multimedia, Medienkunst, Webseiten und Kommunikation im Internet. Aus dieser Zeit kenne ich ein junges Music Label „stadtgrün“ mit ambitionierter Techno-Musik und ich mag die Jungs immer noch. Schade, dass das damals „Moderne“ abgeschafft, statt ausgebaut wurde. Ich finde, die neue Sparte hätte eine Chance gehabt, sich zu einem attraktiven Baustein des Wettbewerbs zu formieren. [Anmerkung der Redaktion: Das KJF ist Mitveranstalter des Deutschen Multimediapreises MB21, der sich allerdings nur an junge Medienmacher richtet.]

In welchen Foren präsentieren Sie Ihre Filme noch und was ist für Sie das Besondere am Deutschen Generationenfilmpreis?

Meine Filme zeige ich auch auf anderen Festivals, in Clubs oder im Rahmen von thematischen Veranstaltungen, auf die ich eingeladen bin. Und der Austausch mit jüngeren Filmschaffenden beim Deutschen Generationenfilmpreis  – und überhaupt mit jüngeren Menschen – ist für mich notwendig, um die Tendenzen des Denkens in jüngeren als der meinigen Generation zu spüren.

Welche Pläne haben Sie?

Zuerst werde ich die Projekte zu Ende bringen, die schon in einer Layoutform bestehen. Allerdings fällt mir das nicht leicht, weil mich immer das Neue mehr interessiert als das, was bereits – und sei es als Entwurf oder Idee – existiert...

(Das Gespräch führte Sarah Kuschel im März 2014)

 

Weitere Infos

Filme von Jan und Eva Walentek im Archiv.

Bioprodukt - Unterwegs auf Deinen Teller (2012), Tanzstunde für Erwachsene und Fortgeschrittene (2010), Einstein Theorie (2009), Grüsse von der Insel (2008), Brief an meine Enkeltochter (2006), Spassgesellschaft (2005)

 

Filme von und Interviews mit Jan Walentek

Subway Poetry Company (2013, Innovationspreis), Soneto Amoroso (2008), Clearance (2011)

 

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