Interview

 

 

Finn-Ole Heinrich

Portait Finn-Ole Heinrich
Foto: Denise Henning

Mit seinem Film „Nicht an einem Tisch“ begibt sich Finn-Ole Heinrich auf Spurensuche. Warum scheiterte die Beziehung seiner Eltern? Er befragt Mutter und Vater, getrennt voneinander, über die Zeit ihres Kennenlernens. Das Ergebnis ist ein persönliches Dokument, in dem sich auch die politischen Ideale der 68er-Generation abzeichnen. Die schwarzweißen Aufnahmen sind zu einem Dialog montiert, den es außerhalb der filmischen Realität nicht geben würde.

In diesem Interview erzählt der heutige Buchautor Finn-Ole Heinrich von seinem Wettbewerbsbeitrag und über die nicht immer ganz einfache Arbeit eines Dokumentarfilmers - besonders, wenn es um die eigene Familie geht.

 

"Ich habe mir meine Realität zusammengezimmert"

Familienalltag wird gerne per Video dokumentiert - wie macht man einen besonderen Film über die eigene Familie?

Schwer zu sagen. Wir haben das damals im Rahmen der Filmklasse als Hausaufgabe bearbeitet. Die Fragestellung war: Wie haben sich eure Eltern kennengelernt? Ich hatte immer ein besonderes Verhältnis zu meinen Eltern, eine seltene Offenheit und Tiefe. Die Möglichkeit, wirklich mit ihnen zu reden. Vorbehaltlos, ehrlich. Ich durfte fragen, bekam Antworten, wurde als echtes Gegenüber gesehen. Das ist ja durchaus nicht immer der Fall. Hat meinem Film aber in die Karten gespielt … Wenn man im persönlichen Umfeld Filme dreht, müssen die Voraussetzungen stimmen. Man muss für sich selbst das Gefühl haben, dass erzählbar ist, was man erzählen will. Man muss mutig genug sein, allen um sich rum gehörig auf den Sack zu gehen. Man muss beharrlich sein und in Kauf nehmen, dass man Menschen auf den Schlips tritt, die einem wichtig sind. Und was ich wirklich empfehlen kann: Seine Antennen benutzen. Manches sollte man nicht mit der Kamera bearbeiten. Man muss auch respektieren, wenn jemand nicht will. Und man sollte sich immer selbst befragen: Geht das jetzt nur mich oder uns was an, oder wird hier auf persönlicher Ebene etwas Allgemeines verhandelt. Es gibt nämlich schon genug belanglose Privatfilmchen auf YouTube.


Wie entstand die Idee, den Film in dieser Art umzusetzen?

Simpel. Meine Eltern wohnen in unterschiedlichen Städten, haben sich etwa 20 Jahre lang nicht gesehen, interessierten sich nicht mehr füreinander, hätten sich - auch mir zuliebe - nicht an einen Tisch gesetzt. Da war der Titel schon geboren. Und der ist ja durchaus auch programmatisch zu verstehen. Er enthält ja schon das ganze, wenn man so will, poetologische Prinzip des Films und führt gleichzeitig die Macht und die Ohnmacht des Mediums Film vor: Er setzt meine Eltern über den Schnitt für die Dauer des Films an einen Tisch und entlarvt sich dabei selbst - natürlich ist das nur Fiktion. Er thematisiert darüber hinaus mich, meine Rolle. Ich finde, ich bin sehr anwesend in diesem Film, zwar unsichtbar, dennoch sehr präsent. Und das finde ich wichtig, nicht um meine Eitelkeit zu befriedigen, sondern um auf meine Rolle hinzuweisen, einerseits als Kind und Ansprechpartner, andererseits als derjenige, der diesen Film gemacht, diese Auswahl getroffen hat, der diese scheinbare Wirklichkeit konstruiert hat. Das, finde ich, sollte ein Dokumentarfilm nie verschleiern: Er kann noch so authentisch sein (oder daherkommen), er ist nicht Realität, konstruiert allenfalls aus Teilen der Realität eine an Realität angelehnte Fiktion, die Realität zu spiegeln und zu kommentieren vermag.

Wie war es für Sie, den Film zu schneiden?

Schwer. Schön. Aufregend. Lehrreich. Intensiv.
Habe viele Dinge erfahren, die mir vorher so nicht klar waren. Vor allem aber habe ich sehr viel darüber nachgedacht, wie sehr man als Autor oder …  sagen wir Hersteller von Dokumentarfilmen eingreift, wie sehr man Wirklichkeit herstellt. Scheinbare Wirklichkeit. Ich habe zum Beispiel manche Szenen und Aussagen ganz bewusst nicht in den Film genommen, weil sie den jeweils anderen - meiner Meinung nach - verletzt hätten. Das wollte ich nicht, also habe ich, naja, Gott gespielt, und sie unter den Teppich gekehrt. Habe mir meine Realität zusammengezimmert. Einen Film, wie ich ihn haben wollte. Einen Film, mit dem auch meine Eltern leben konnten.

Was sagten Ihre Eltern, als sie den fertigen Film sahen?

Mein Vater: Bah, du hast mich sowat von scheiße angeleuchtet, ich seh ja aus wie ’n gruseliger Opa.
Meine Mutter: Ich war so aufgeregt, ich hatte wirklich Angst. Aber das hast du wundervoll hinbekommen.

Hat sich durch den Film etwas in der Beziehung zu Ihren Eltern verändert?

Nein, die war, wie gesagt, schon vorher tief und offen und ehrlich. Mir war auch sofort klar, dass das funktionieren würde. Beide sind spannende, kluge Menschen und Gesprächspartner, die so einen kleinen Film gut tragen können.
Meinen Vater musste ich noch kurz überreden, auch wirklich mitzumachen.

Woran arbeiten Sie aktuell?

Ich bin ja inzwischen eher als Autor aktiv. Durchaus auch als Drehbuchautor, in dem Bereich läuft gerade auch ein Projekt, ein Kinodebut für einen befreundeten Regisseur. Aber vor allem bin ich Schriftsteller. Ich schreibe Romane, Erzählungen, zuweilen auch für die Bühne und neuerdings auch für Kinder. Im Moment schreibe ich an einem Roman in drei Teilen für Menschen ab 10 Jahren: Die erstaunlichen Abenteuer der einzigartigen, ungewöhnlich spektakulären, grenzenlos mirakulösen Maulina Schmitt. Der erste Teil ist bereits erschienen, der zweite folgt in ein paar Wochen und am dritten arbeite ich gerade. Hier gibts einen kleinen Trailer, den ich - als gelernter Filmemacher - natürlich selbst gemacht hab.

(Das Interview führte Sarah Kuschel im Januar 2014)

 

Weitere Infos

Weitere Infos zum Film "Nicht an einem Tisch" sowie ein Interview mit Finn-Ole Heinrich auf dem Bundesfestival finden Sie im Archiv des Wettbewerbs. Näheres zu dem Autor und Filmemacher auf der Homepage von Finn-Ole Heinrich.

 

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